„Das Projekt „Eschbronner Geschichte(n) – Zeitzeugen erzählen“ soll einen Teil der Ortsgeschichte erlebbar werden lassen.“
Teil 1 Fliegerangriff und Dorfleben
Interview mit Erich Jauch im Februar 2024
Erich Jauch ist im Jahr 1938 in Mariazell geboren. Er ist in der Schramberger Straße aufgewachsen, in der er auch heute noch lebt und hat in den Kriegs- und Nachkriegsjahren Vieles aus dem Dorfgeschehen mitbekommen, da sein Vater Meinrad Jauch zu dieser Zeit der stellvertretende Bürgermeister von Mariazell war. Nach ihm wird er auch „s‘Menrade Erich“ genannt.
In diesem Teil der Zeitzeugen-Reihe erzählt er vom Flugzeugabsturz im Weiher, Fliegerangriffen und der politischen Stimmung im Dorf zum Kriegsende.
Samuel: Hat man den Krieg im Dorf denn auch zu spüren bekommen? Im Heimatbuch wird von einem Flugzeugabsturz in Mariazell berichtet.
Erich: [Ja,] der Flieger, der im Hagenweiher runterkam, das war am Tag vor dem Josefstag. Am achtzehnten März. Dort hatte es einen halben Meter Schnee, […] die hatten abgeladen, die waren auf dem Rückflug, und ein paar deutsche Jäger haben sie hier angegriffen. Einer lag im Hagenweiher, einer ist im Birkenmoos gelegen, auf dem Hardt ist auch noch einer abgestürzt. Also drei oder vier von den Amis haben sie abgeschossen.
Ich kann mich noch gut erinnern, als Kind in Hannes Haus, das wisst ihr auch nicht mehr, wo das gestanden ist (in der Dorfmitte, heute eine Verkehrsinsel), da konnte man Saaterbsen holen. Und mich haben sie fortgeschickt, mit dem Schlitten bin ich dort gewesen, um die Erbsen zu holen. Zwischen Schriiners, Sonne und der Hanne bin ich gestanden, da kam der Flieger und ich dachte, ich krieg die Kiste auf den Kopf. Es hat ein paar Mal gedätscht oben, zuerst eine Stichflamme und noch eine schwarze Rauchwolke und dann hat es die Kiste ständig so überschlagen. […] Und ich bin aber ab mit dem Schlitten als ich das gesehen hab und bin beim Schuhmacher Alfons (heute Johanna Auber, Hauptstraße 5) unter die Treppe. Da bin ich mitsamt dem Schlitten zum Loch rein, ich hab nicht mehr rausgeschaut.
Der ist im Hagenweiher gelandet. Also auf der Wiese zwischen Locherhofer Straße und Mühlweg. Und dort gab es ein großes Loch. Zwei Tage lag hat es gequalmt und gebrannt und ständig geknallt. Da hat es die ganze Munition, die er an Bord hatte, verrissen. Die sind auf dem Rückflug gewesen, aber ich weiß bloß nicht mehr was sie damals bombardiert haben.[…] Einer, der hatte einen deutschen Namen und der ist noch mit dem Fallschirm raus, der ist aber nicht mehr aufgegangen und er war tot. Der ist neben dem Flieger gelegen und ein paar sind in Weiler bei Staigers auf der Miste gelandet mit dem Fallschirm. Das waren die, die halt bald genug rausgekommen sind.
Franziska: Aber im Ort ist gar nichts zerstört worden während dem Krieg?
Erich: Wir hatten keine Bomben. In Stetten haben sie mal Bomben geworfen. Auf der Zimmerner Höhe hätte es den Baracken gelten sollen. Und dort ist am Friedhof in Stetten eine abgeworfen worden. Und am Kohlholzer Wald ist ein Gittermasten gestanden, so ein Trafo, da haben sie auch mal Bomben geworfen. Aber im Dorf selbst hatten wir keine Schäden. Vom Kriegsschauplatz sind wir verschont geblieben.
Franziska: Aber Fliegeralarm gab es schon?
Erich: Ja, vielmals. Wenn sie hier drüber geflogen sind, dann war Fliegeralarm. […] Wenn man ins Feld ist, musste man zuerst die Luftlagemeldung anhören im Radio. Und dann hieß es oft „schwere Kampfverbände auf dem Flug nach Süddeutschland“. Oder je nachdem, was sie bearbeitet haben, Ulm zum Beispiel. Das hat mein Vater oft erzählt, da haben sie im Sternen Musikprobe gehabt wegen der Trauerfeier für einen Gefallenen und dort sind sie vor dem Sternen auf der Treppe gestanden und haben die Helle [am Himmel] gesehen, als Ulm gebrannt hat. Als sie die Stadt bombardiert haben, und das sind 160 Kilometer von hier. Das ist während dem Krieg gewesen, also wahrscheinlich Anfang 1945, Ende 44, da wars am schlimmsten. Bis dann der Zusammenbruch gekommen ist.
Franziska: Und hattet ihr auch einen Bunker?
Erich: Manche haben Bunker gebaut, wir sind immer im Keller gesessen.
Franziska: Und da ist dann immer die Sirene runter im Dorf, nachdem über den Funk eine Nachricht kam, dass sie wieder fliegen?
Erich: Jeden Tag kam am Radio die Luftlagemeldung, wie der Wetterbericht. Das hat man erst abgehorcht, bevor man ins Feld ist. Gegen Kriegsende sind manchmal die Japo gekommen, das waren Jäger (Jagdflugzeuge), und die haben oft auch Zivile angegriffen, dann wars gefährlich, wenn man sich im Feld bewegt hat.
Die Familie Meinrad Jauch (ca. 1941), Vater Meinrad Jauch mit seiner Frau Emma und Sohn Erich.
Franziska: Und sonst gab es keine größeren Kriegsereignisse, bis die Franzosen gekommen sind?
Erich: Ja, also vom Kriegsgeschehen war das Dorf eigentlich nicht groß betroffen. Gott sei Dank!
Franziska: Erst im Nachhinein, aber das war ja schon nach Kriegsende, als noch der Unfall passiert ist mit den drei Kerlen, die ums Leben gekommen sind.
Erich: Das war 1946 glaub ich. Am Weißsonntag. Also, die waren 16/17 Jahre alt. Und die hätten glaub ich in die Christenlehre gehen sollen. Und dann haben sie das nicht gemacht, die Kerle, und sind am Hardtener Wald oben rum palavert, ich weiß nicht, ob sie auch irgendwo eingekehrt sind. Auf jeden Fall haben sie die Granate gefunden. Und der Kohlholzer Johannes (Johannes Jauch), er hatte das Ding in der Hand und dann haben sie eine Uhr ticken gehört darin und wollten es aufmachen […] und dann ist das Ding krepiert. Und der Johannes […] er war gleich tot. Und der Echle Rudolf war verletzt und auch der Frieder Sepp. Becken Albert (Albert King) und Metzgers Erhard (Erhard Hug), die zwei sind auch noch gestorben. […] Wenn man Richtung Hardt fährt am Wald runter, dort steht der Grabstein. Und dort irgendwo ist es passiert. Die wurden dann ins Krankenhaus in Schramberg gebracht und s‘Becken Albert ist am gleichen Abend noch gestorben und s‘Metzgers Erhard zwei oder drei Tage später.
Franziska: Wie war denn die Situation im Ort während dem Krieg? Haben sich die Befürworter des NS-Regimes und die, die gegen das Regime waren auch gestritten?
Erich: Es hat sich eigentlich niemand getraut öffentlich gegen die zu reden. Vorher gab es viele Arbeitslose und dann haben sie aufgerüstet und es gab wieder viel Arbeit, die Leute konnten zum Arbeiten gehen und Geld verdienen. Und dann meinte man: Ja, das ist der Mann! Wenn die Leute 1933 schon gewusst hätten, wie es 1945 aussieht, dann wären sie ihm nicht so nachgerannt. Ganz sicher nicht. Aber das ist halt, so wie sich die Zeit entwickelt. Ich mein, im ganzen Bundesgebiet gab es um die acht Millionen Arbeitslose. Jetzt überlegt mal, wenn so viele Leute nichts zum Arbeiten haben und dann kommt einer und du kannst arbeiten gehen und Geld verdienen. Und am Anfang hatte das Geld ja auch einen Wert.
Samuel: Und dann sind wahrscheinlich auch in die NSDAP Leute eingetreten, einfach wegen einem Posten, wie du schon gesagt hast, die jetzt nicht hundertprozentig überzeugt waren.
Erich: Ja, gegen ihre Überzeugung, nur dass es ihnen besser ging. Dann mussten sie halt auch mit den Wölfen heulen, obwohl sie vielleicht eine andere Gesinnung hatten. Ich mein, das hat man ja auch gemerkt, wenn man ein bisschen Hirn im Kopf hatte. Wenn sie jeden Tag mehr Städte kaputt machen und die Alliierten kommen immer weiter auf dich zu, dann musste man ja sagen, jetzt hats keinen Wert mehr. Aber sie hatten immer noch den Sieg im Kopf.
Erich: Wenn einer beim Militär abgehauen ist und ist verschwunden, die vom Volkssturm[1] haben den auf der Stelle erschossen. Der hatte keine Chance, sich zu wehren. Du hast dich von der Truppe entfernt und das Gesetz hat gegolten, jeder Scherenschleifer hätte dich umlegen können.
Samuel: Und ist die Stimmung dann irgendwann mal gekippt? Als man mitgekriegt hat, dass immer mehr gefallen sind aus dem Dorf.
Erich: Ich glaub, in dem Moment ist bei vielen die Gesinnung gekippt. Am Anfang, als sie vorwärts marschiert sind, da war vielleicht die Begeisterung da. Aber nachher im Rückzug, als alles knapper wurde, da musste man ja sagen: So hats keinen Wert mehr. Etwas Dümmeres wie einen Kriegs gibt’s wirklich nicht. Es gibt ja eigentlich bloß Verlierer. Wenn man jetzt wieder in die Welt guckt, überall gibt’s Kriege und Konflikte, aber die Leute werden nicht gescheiter. Es hätte jeder genug zum Leben. Aber dann kommt so ein Wirrkopf, wie der Hitler auch einer war. Und die meinen, sie hätten das größte Maul und sie könnten die Welt erobern.
Wir möchten darauf hinweisen, dass es sich um subjektive Erinnerungen
der befragten Personen handelt. Außerdem liegt das Erlebte sehr weit zurück,
was zu Unklarheiten in den Berichten führen kann. Wir versuchen, die historische
Wirklichkeit durch persönliche Berichte abzubilden, können jedoch keinen
Anspruch auf fehlerfreie Tatsachenberichte verfolgen.
[1] Volkssturm: militärische Formation in der Endphase des Zweiten Weltkriegs aus Männern, die bisher noch nicht zum Kriegsdienst verpflichtet wurden.
Ausschnitt aus dem Interview zum Reinhören: